Den Alten geht es besser denn je

Zumindest die wohlhabenden Rentner fühlen sich wohl. Sie sind sogar glücklicher als junge Menschen zwischen 18 und 25. Aber Verantwortung übernehmen sie selten.

Wir alle werden immer älter. Durchschnittlich fünfzehn Lebensjahre haben seit Mitte des letzten Jahrhunderts die Menschen in Deutschland gewonnen. Die Hälfte der 2012 Geborenen kann sich darauf einrichten, den 100. Geburtstag feiern zu können.

Glaubt man den Ergebnissen einer neuen Forsa-Studie, geht es den Alten heute besser denn je. Sie bilden sich weiter, reisen um die Welt, manche ergreifen noch neue Berufe. Dadurch prägen sie Begriffe wie „Encore-Biographie“ (Encore = Zugabe), womit ein später Wechsel in ein neues Berufsfeld gemeint ist. Sie treffen sich auf Webseiten wie feierabend.de. Sie sind unabhängiger von Kindern und Familie als jede andere Generation von Alten zuvor.

Auf die Frage, was sie sich für die Zeit nach dem 65. Lebensjahr wünschen, haben nur 29 Prozent mit „Zeit mit Kindern verbringen“ geantwortet. Die Option „Zeit mit dem Partner verbringen“ (48 Prozent) ist wesentlich attraktiver für die Älteren als der Familienklüngel. Später mit ihren erwachsenen Kindern zusammenleben wollen sogar nur 2 Prozent. Diese hochindividualisierte, hedonistische „Generation 60 plus“ ist historisch neu.

Die Journalistin und Autorin Margeret Heckel konstatiert in ihrem lesenswerten Buch Die Midlife-Boomer. Warum es nie spannender war, älter zu werden, dass nach neuesten Studien das Wohlbefinden im Alter deutlich zunimmt. Die Alten bezeichnen sich als deutlich zufriedener und gelassener als sich die Jungen einschätzen. Nach einerneuen Allensbach-Umfrage fühlen sich die Alten heute im Schnitt zehn Jahre jünger als sie tatsächlich sind. Die Studienergebnisse verweisen allerdings auf die Generation zwischen 50 und 75 Jahren. Im sogenannten hohen Alter (ab 80 Jahren) werden körperliche Gebrechen und der Verlust naher Beziehungen zunehmend als belastend empfunden.

Zwischen 40 und 50 sind die Menschen am unglücklichsten

Kurz zuvor, zwischen 40 und 50 Jahren, befindet sich für viele Menschen der subjektiv empfundene Glückstiefpunkt – nicht umsonst wird diese Lebensphase gern mit„Midlife-Crisis“ tituliert. Der „globale Gefrierpunkt“, so die amerikanischen Forscher David Blanchflower und Andrew Oswald, sei mit 46 Jahren erreicht. Doch auch in der Jugend zwischen 18 und 25 Jahren sind die Menschen überall auf der Welt weniger glücklich als im Alter.

Die Altersforscherin Laura Carstensen führt den Begriff „socioemotional selectivity“ an, um zu erklären, warum die Älteren glücklicher seien als die Jüngeren. Eine Endfünfzigerin umschreibt dies mit den Worten: „Ich weiß, wer ich bin und was mir gut tut, und versuche, was mir schadet, zu vermeiden. Ich mache jetzt viel mehr, was mir selbst gefällt (…)“. 70 Prozent der heutigen Rentner sind froh, im Ruhestand zu sein. Von denjenigen, denen die Rente noch bevorsteht, können sich das nur 38 Prozent vorstellen (Allensbach-Umfrage).

Die Harvard-Medizinerin Ellen Langer erklärt das damit, dass trotz ihres veränderten Auftretens nach wie vor  „negative Stereotype über das Alter“ vorherrschen. Allein der Begriff des Alterns hat einen schlechten Beigeschmack – dabei altern wir mit jeder Sekunde nach unserer Geburt.

Ein Defizit haben die meisten neuen Studien über das Altern: Sie vernachlässigen die sozioökonomische Seite. Nur die Forsa-Studie differenziert zwischen reichen und armen Alten. Die Unterschiede sind eklatant: 30 Prozent der Armen fühlen sich „überflüssig“, aber nur 2 Prozent der Reichen. Die Gründe hierfür mögen darin liegen, dass man sich die Partizipation am gesellschaftlichen Leben auch im Alter leisten können muss. Während es vor der Pensionierung den Kantinenplausch gratis gab, müssen Rentner die viele Freizeit selber gestalten und bezahlen.

Dass die  Älteren so aktiv sind und sich so wohl fühlen, ist auch für die Jungen eine gute Nachricht. Enttäuschend sind aber die Zahlen zu den Themen „Der Gesellschaft etwas zurückgeben“, „Ehrenamtliches Engagement“ und „Generationengerechtigkeit“. Mit der Rente hört das Verantwortungsbewusstsein nämlich auf: 79 Prozent der Alten denken zwar, dass die junge Generation derzeit die Rente der Älteren bezahlt und später kaum von der eigenen Rente leben können wird. Obwohl die Mehrzahl der Alten die jüngere Generation also für benachteiligt hält (die eigene Generation halten nur 9 Prozent für benachteiligt!), möchten die Älteren nicht zu Gunsten von höheren Ausbildungs- und Studienförderungen auf Rentenerhöhungen verzichten. In der Theorie klingt vieles besser als in der Praxis: Ein Drittel der Älteren findet, dass die eigene Generation in Wohlstand lebt und der Gesellschaft etwas zurückgeben sollte, aber eine ehrenamtliche Tätigkeit kommt nur für ein Viertel der über 65-Jährigen infrage.

Ein selbstkritischer Vertreter der „Älteren“ ist der Schriftsteller Christoph Hein (Jahrgang 1944). Er äußert im Rahmen einer von der Körber-Stiftung und dem Deutschlandfunk organisierten Veranstaltung in der Dresdener Frauenkirche zum Thema „Alter neu erfinden“ großes Unbehagen über seine Generation, die den eigenen Kindern und Enkeln einen riesigen Schuldenberg, Atommüll und dramatische Klimaveränderungen hinterlässt.

Bei aller Sympathie für die Selbstverwirklichung der älter werdenden 68-er Generation frage man sich als jüngerer Mensch doch, warum die Verantwortung nur von hier bis zum eigenen Partner reicht.

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