Schreiend und kreischend. Alles so schön bunt hier. Imi Knoebels Ausstellung „Pure Freude“ (Morgenpost, August 2003)

veröffentlicht in Morgenpost, 27. August 2003

Unter dem Motto „Pure Freude“ zeigt die Akira Ikeda Gallery Werke Imi Knoebels

Sich auf dem Pfefferberg-Gelände nicht zu verlaufen, ist ein Kunststück. Die Galerie Akria Ikeda sollte man daher nur besuchen, wenn der freundliche Imbiss-Verkäufer oben im Biergarten garantiert da ist und einem den Weg weist. In einer Durchfahrt gelegen, hinter einer unauffällig-abweisenden Metalltür verborgen, ahnt man noch nichts von den hellen, hohen Räumen, die den Charakter des ehemaligen Heizhauses der Brauerei weit hinter sich gelassen haben. Akira Ikeda ist die dritte Dependance nach Einrichtungen in New York und Suzuka (Japan) mit Künstlern wie Gerhard Richter, Richard Serra, Frank Stella, Rosemarie Trockel und – Sie erinnern sich an den alten Nagelfetischisten – Günther Uecker. Alles in einem also einige der Grandes Artistes der Sechziger Jahre, die nun hinter munter-erratischen Anti-Klängen von Electro-Pop-Konzerten und den begeisterten Scharen junger Leute, die den ganzen Tag über das Pfefferberg-Gelände bevölkern, zur Geltung kommen sollen. Doch kaum hat die freundliche Japanerin die Tür hinter ihm geschlossen, vergißt der Besucher – in plötzliche, überwältigende Stille getaucht – was jenseits des alten Heizhauses gerade alles erprobt, gefeiert, ausgebuht und weggetrunken wird.

Rosa, Orange, Weiß, Hellgrün. Mit „Pure Freude“ ist Knoebels neue Ausstellung betitelt. Wer bei diesem Titel meint, der bisweilen naive Farbgebrauch einiger Sechziger Jahre Künstler wie Helen Frankenthaler oder Morris Louris im Gestus einer libinidös-kindlichen Farbverschwendung würde hier noch einmal zelebriert werden, täuscht sich jedoch: Knoebels Arbeiten bestehen aus verschiedenen bunten Metallmodulen, die eine Art Gitterwerk oder „Rückgrat“ bilden, auf denen wiederum Holzplatten, meist grell bemalt („schreiend, kreischend, gravitätisch, festlich und prismatisch“, Derek Jarman über Imi Knoebel in „Chroma: Ein Buch der Farben“), angebracht sind. Stellas dreidimensionale, sich von der Wand scheinbar auf den Betrachter zubewegende skulpturale Gemälde mögen hier u.a. Vorlage gewesen sein, dennoch, bei aller sichtbar gemachter Komplexität unter dem Anlitz des Kunstwerks, bleibt der plane Frontalcharakter des klassischen Tafelbilds erhalten. Knoebel scheint die Tektonik oder Geologie der Rahmenbedingungen eines Gemäldes ausgelotet haben zu wollen – die ebenso nüchterne wie aufwendige technische Konstruktion seiner neuen Werke steht in eigenartigem Kontrast zur pastösen Farbfreude wie zum Titel der Ausstellung. Das Prinzip der verschiedenen bunten Schichten, von denen eine – scheinbar zufällig – dem Betrachter als oberste offengelegt wird, hat Knoebel in einer Arbeit perfektioniert, die den Besuch dieser Ausstellung zu einem unvergleichlichen Erlebnis werden läßt:
In einem separaten Raum hängen zehn rechteckige Holzplatten; der Blick des Betrachters richtet sich zunächst auf naturale Einzelphänomene, unterschiedlich große Astlöcher, Färbungen, Schraffuren etc. Bald fallen jedoch die leuchtenden Seiten der „Bilder“ ins Auge: Verschiedene Holzplatten wurden wieder im Schichtungsprinzip aufeinander montiert – die Arbeiten heißen plausiblerweise „Sandwich“ (nummeriert von 01 – 10) – nur ihre Schmalseiten sind jeweils hellbunt gemalt. Doch von diesen Seiten scheint ein Leuchten auszugehen, das sich nicht ausschließlich mit der grellen Farbgebung erklären läßt. Es sind phosphorisierende Farben, die die Holzplatten untergründig leuchtend umrahmen und ihnen eine dem Naturmaterial völlig entgegengesetzte Ästhetik aufzwingen. Bild und Untergrund, Sichtbares und Verborgenes, Ergebnis und Voraussetzung werden hier auf ungewöhnliche Weise inszeniert. Schade nur, daß beim Ausstellungskonzept Licht und Dunkelheit nicht konsequenter berücksichtigt wurden. Bei Mittagssonne läßt sich der Effekt nur sehr theoretisch nachvollziehen.

www.akiraikedagallery.com

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