Linkspopulismus – das Phänomen „Aufstehen“ (taz, 19.9.2018)

Es gibt eine Reihe populistischer Bewegungen, die in jüngster Zeit Erfolge feiern konnten, so wie beispielsweise Podemos in Spanien. Sie treten mit dem Anspruch an, endlich eine progressive emanzipatorische Politik zu vertreten, die sich nicht mehr nur auf intellektuelle Zirkel oder elitäre mittelständische Milieus beschränkt (Prenzlauer Berg! Kreuzkölln!) sondern endlich auch massenkompatibel ist. Der Linke Populismus will „Politik zurück zu den Menschen bringen. Und die Menschen zurück in die Politik“, wie es beispielsweise im Gründungsaufruf von der Sammlungsbewegung „aufstehen“ heißt. Warum soll das nicht auch in Deutschland funktionieren?

So progressiv der Anspruch auch gemeint sein mag, so wohnt ihm doch gleichzeitig ein antiemanzipatorisches Moment inne. Das Volk erscheint als bloße fehlgeleitete Masse, als Ausdruck „falschen Bewusstseins“, wenn es sich vor den Karren reaktionären Parteien oder Bewegungen spannen lässt, wie aktuell beispielsweise in der Migrationsdebatte. Demnach spricht die Linke entweder einfach die falsche Sprache (zu akademisch, zu intellektuell) oder sie spricht die falschen Themen an (Gender, Minderheiten und anderes „Gedöns“) – und nicht die Fragen, die „das Volk“ tatsächlich bedrückt. Kein Wunder also, dass die Massen irgendwann die Geduld verlieren und den falschen Propheten folgen.

Doch linke Populisten drehen den Spieß einfach um: Sie geben die richtigen Themen vor und mobilisieren damit Massen. Für sie gibt es nicht mehr links oder rechts, sondern nur noch oben und unten. Hier das Volk, dort die Eliten. Ein guter linker Populist hat ein machiavellistisches Gespür, was ankommt und was nicht, was die Wut und das Ressentiment gegen „die da oben“ bedienen kann. Der alte linke Gedanke, dass Emanzipation nur als Selbstbefreiung der Unterdrückten vorzustellen ist, verschwindet jedoch. An seine Stelle tritt die geschickte Choreographie cleverer Parteiführer.

Linker Populismus funktioniert tatsächlich nur von oben nach unten – und zwar innerhalb der eigenen Bewegung. Kaum eine linkspopulistische Strömung, die sich nicht irgendwann in einen autoritären Apparat verwandelt hätte (Venezuela mit Chavez, Peron in Argentinien). Ausgerechnet die populistischen Postmarxisten, die für sich doch gerne in Anspruch nehmen, zu neuen Ufern aufbrechen zu wollen, orientieren sich am traditionellen linken Dogmatismus. Linker Populismus hat mit dem Konzept einer leninistischen Avantgardepartei mehr gemeinsam als mit einer emanzipatorischen Bewegung für das 21. Jahrhundert.

 

© Tanja Dückers, Berlin, im September 2018

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